Maskenfaktor bei der Maine Coon – das unerlaubte rezessive Gen, leider noch immer ein Thema!
Bereits vor drei Jahren, nachdem ein Colourpointwurf gefallen war, schrieb ich meinen ersten Artikel, über den Maskenfaktor bei der Maine Coon und veröffentlichte ihn in der KATZEN EXTRA. Freunde hab ich mir damit erst mal keine gemacht, ganz im Gegenteil. Viele Züchter neuer Foundationlinien fühlten sich dadurch persönlich angegriffen und auf den Schwanz getreten. Mir ging es dabei lediglich nur darum, darüber zu informieren. Ich persönlich halte nichts davon, aufgetretene Probleme unter den Teppich zu kehren und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Sonst stehen irgendwann die nächsten vor dem gleichen Problem. Ein weiterer Artikel wurde 2007 hier in der Katzenpostille veröffentlicht.
Der Trend, mit neuen Foundationlinien zu züchten, boomte zu dieser Zeit und war auf seinem Höhepunkt. Zwei „beherzte“ Züchterinnen aus Deutschland sprangen auf diesen Zug mit auf und begannen mit einem eigenen Foundationzuchtprogram. Dafür reisten sie nach Maine (USA) und brachten sich von verschieden Bauernhöfen und Farmen Katzen mit. Insgesamt vier Jungtiere, welche der Maine Coon ähnlich waren und Rasse typische Merkmale aufwiesen. Bereits 2 Jahre später wurden dann die ersten Jungtiere in die Zucht abgegeben (so auch die Eltern unserer blauäugigen Molly).
Doch nach 2 Jahren ist so ein Foundationzuchtprogram keinesfalls ausgereift, wenn man bedenkt, dass so ein großes, und verantwortungsvolles Projekt viele Jahre in Anspruch nimmt. Sowie mit Rückschlägen und hohen Kosten verbunden ist. Es sind Tiere mit gänzlich unbekanntem Erbgut und nach 2 Jahren weiß man noch gar nichts über die genetische Veranlagung der Tiere. Es sind viele Testverpaarungen nötig, sie konnten unmöglich alle in dieser Zeit gemacht worden sein. Vier Generationen später präsentierte sich die Rechnung – der erste offizielle Pointwurf war gefallen. Die Elterntiere waren Nachzuchten von einer der vier Bauernhofkatzen aus Maine (USA), von „Patches of Find Us“.
Nachdem dieser Wurf bei einer befreundeten Züchterin gefallen war, ließen wir unsere beiden Foundations, die aus der selben Linie stammen, auf das Point testen (Gentest von Laboklin). Beide Tiere, Kater Monti und Kätzin Molly wurden positiv auf das Gen getestet und sind Pointträger. Ursprung und Auslöser für das Pointgen in dieser Linie war die Kätzin „Patches of Find Us“. Sie hat dieses im Standard der Maine Coon unerlaubte Gen an ihre Nachkommen weiter vererbt. Dies konnte durch entsprechende Gentests bei Nachkommen und deren Nachzuchten belegt werden. So hatte zum Beispiel unsere Molly das Point über ihren Vater „Aries to Aries“ (Pointträger), von ihrer Großmutter „Patches“ geerbt. Die befreundete Züchterin ließ ihrerseits sämtliche Nachzuchten (Kinder und Enkel) von ihrem Kater „Peshewa“ testen, der wie unsere „Molly“ auch ein Enkel von „Patches“ ist.
Es wurden insgesamt (einschließlich unseren Tieren und Peshewa) 25 Tiere getestet. Von allen diesen Katzen war nur ein einziger Jungkater kein Pointträger!
Alle anderen Tiere waren positiv und Träger des Gens (sie alle wurden kastriert und aus der Zucht genommen). Diese Testreihe macht die Dimensionen deutlich, wie stark sich der Maskenfaktor verbreiten kann. Da es sich um ein rezessives Gen handelt, leider auch völlig unbemerkt. Auch ist es belegt, dass bei Katzen aus anderen amerikanischen Foundationzuchten ebenfalls Points gefallen sind.
Man kann nun dagegen argumentieren, dass es ja nur eine unerlaubte Farbe ist, die schließlich nicht tötet. Dass es innerhalb der Rasse weit wichtigere Probleme gibt als Pointkitten und ein negativer HCM-Befund auf jeden Fall wichtiger ist als ein negativer Pointtest. Mails und Anrufe dieser Art bekam ich zur Genüge. Es waren nicht gerade die freundlichsten. Doch die Maine Coon hat einen Standard und Zucht bedeutet Selektion! Selektion sowohl von genetischen Defekten und Erbkrankheiten, als auch von unerlaubten rezessiven Genen wie dem Maskenfaktor.
Natürlich stirbt man nicht an dieser „Farbe“, doch was wurde bei so gänzlich unbekanntem Erbgut noch alles übersehen, wenn bereits ein (durch Rückkreuzung) relativ leicht feststellbarer Maskenfaktor nicht entdeckt wurde? Gerade bei einem Foundationzuchtprogram bedeutet es, dass nicht sorgfältig gearbeitet und auf nötige Testverpaarungen verzichtet wurde. Genetische Defekte sind ungleich schlimmer als ein Pointgen und leider auch viel weniger leicht im Erbgut zu erkennen. Neben dem Point ist in diesem erwähnten Colourpointwurf auch eine ganz erhebliche Knochenmissbildung aufgetreten. Der ganze Wurf (5 Kitten) war von diesen Missbildungen betroffen. Das eine Kitten mehr das andere weniger. Sie waren auch deutlich kleiner als andere Altersgenossen. Und erst jetzt wo die Tiere ausgewachsen sind wird das ganze Ausmaß dieser Knochenmissbildung deutlich. Da es eine (nicht beabsichtigte) Halbgeschwisterverpaarung war, ist es wahrscheinlich, dass es sich um einen Gendefekt handelt, für den beide Elterntiere die Veranlagung tragen und der sich erst durch diese Engverpaarung gezeigt hat.
„Ragnar“, ein Kitten aus dem Pointwurf ist bei und geblieben. Er selbst ist kein Colourpoint, doch er ist ein Pointträger. Als solcher bei TICACATS registriert und nicht zur Zucht zugelassen. „Ragnar“ zeigt deutliche Deformationen und extreme Fehlstellungen an den Vorderbeinen und den Hinterbeinen vom Becken abwärts. Sowie einen gestörten Skelettaufbau (seine Körperproportionen zu einander stimmen nicht) einen Knickschwanz und eine unterschiedliche Dichte der Knochensubstanz. Was aufgrund von Röntgenbildern ersichtlich ist.
Beide Elterntiere sind sehr große, typvolle Coonies, die keinerlei Missbildungen zeigen, weder deformierte Beine noch Knickschwänze. Falsche Fütterung und Medikamente wie Antibiotika (Baytril) sind als Ursachen völlig auszuschließen!
Trotz seiner krummen Beinchen war „Ragnar“ ein lebenslustiges, wildes kleines Kerlchen, das seine Behinderung auch recht gut kompensieren konnte – bis zum November 2007!
Da konnte der Kleine ganz plötzlich nicht mehr laufen, er hatte große Schmerzen und sich nicht mehr getraut die Hinterbeinchen zu belasten. Er konnte nur noch liegen. Es wurde eine schwere beidseitige PL diagnostiziert und eine schnelle Operation war unumgänglich. Wir bekamen einen schnellen Termin in der Tierklinik und die OP verlief erfolgreich. Im Zuge der OP hat man bei „Ragnar“ eine HD (durch unvollständig ausgebildete Gelenkpfannen), mit einer beginnenden Arthrose festgestellt. In der Tierklinik staunte man nicht schlecht über seine krummen Beinchen und seinen seltsamen Wuchs. Solche krummen Knochen in diesem Ausmaß kannte man dort von Katzen bisher noch nicht. Ähnliche Missbildungen waren nur bei Hunden (Dackeln) bekannt.
Der Kleine ist wirklich gesegnet mit seinen schlechten Genen: Pointträger, krumme Beinchen durch eine (genetische Störung) des Knochenwachstums, schwere PL und HD mit beginnender Arthrose – und das mit gerade mal 2 Jahren!
Durch Foundations wollte man den Genpool erweitern, die Rasse so verbessern und gesünder machen. Doch eine Linie mit solchen Veranlagungen trägt absolut nichts zu einer Verbesserung der Rasse bei und einen Knochendefekt braucht die Maine Coon nicht auch noch.
Im Zuge der OP wurde auch Ragnars Herz geschallt und gründlich untersucht – er hat ein gesundes kräftiges Herz ohne irgendwelche Auffälligkeiten zum Zeitpunkt der Untersuchung HCM frei. Das ist doch immerhin etwas. Seit seiner PL-OP ist er jedenfalls auch wieder beschwerdefrei. Wir hoffen dass es so bleibt und der tapfere Kleine Kerl, trotz seiner Defizite, steinalt werden darf.
Und so ist der Stand heute: Obwohl bekannt ist, dass sie eine Pointträgerin war, wird noch immer mit ungetesteten Nachzuchten bzw. Nachfahren von „Patches of Find Us“ gezüchtet. Aus den meisten Stammbäumen ist ihr Name inzwischen nach hinten hinaus wieder verschwunden und deshalb, wenn überhaupt, nur noch über PawPeds ersichtlich. Drei Töchter von „Aries to Aries„ und zwei weitere Enkelinnen von „Patches“, eine davon mit dem Namen „Menominee“, sind jedenfalls in die Zucht gelangt. Zu Zuchten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Dänemark. Darunter auch wirklich große, renommierte und sehr bekannte Catterys. Nachdem ich meinen ersten Artikel im KATZEN EXTRA geschrieben hatte, habe ich die meisten dieser Züchter per Mail darüber informiert, dass sie evtl. Pointträger in ihrer Zucht haben könnten und sie auf die Infos auf meiner HP hin gewiesen.
Ich bekam allerdings nur zwei Antworten zurück. Eine von einer Züchterin aus der Schweiz, die über diesen Hinweis sehr froh war. Sie wollte ihre betroffenen Tiere auf jeden Fall testen lassen. Inzwischen hat die Züchterin diese Katzen auch aus der Zucht genommen. Die zweite Antwort war von einer Züchterin aus Deutschland, sie schrieb mir dass sie meinen Artikel im KATZE EXTRA auch schon gelesen hatte. Für sie wäre jedoch die Gesundheit der Tiere wichtiger als ein negativer Pointtest. Von allen den anderen Züchtern bekam ich gar keine Antwort. Mit den betroffenen Katzen bzw. deren Nachzuchten wird noch immer weiter gezüchtet und die Jungtiere in alle Welt, an andere Zuchten verkauft.
Eine Züchterin in der Nähe von München entgegnete auf das Point angesprochen, dass sie schon viele Jahre mit dieser Linie arbeitet und sie das Fundament ihrer Zucht ist. Wenn man über den Maskenfaktor redet, dann sollte man auch über hinein gezüchtete Perser und Orientalen reden. Die Dunkelziffer von Züchtern, die mehrere Rassen züchten und „Unfälle“ daraus in die Zucht verkaufen, wird schließlich auch nirgendwo genannt. Deshalb sieht sie es auch nicht ein ihre Tiere zu testen. Nun ja, wenn man mit der artigen Argumenten bei Neuzüchtern und Zuchtanfängern punkten kann und dazu viele Zuchttiere ins unwissende Ausland verkauft, dann ist das auf jeden Fall gut fürs eigene Ego, den Geldbeutel und für's Geschäft. Der Rasse bringt es leider keinen Vorteil! Durch den Gentest bei Point verdächtigen Tieren hat man schnell Klarheit und wird dadurch auch seiner züchterischen Verantwortung für die Rasse gerecht. Das gilt eben leider nicht für alle!
Es ist absehbar, bis erneut Pointwürfe fallen und unter Umständen auch wieder Kitten mit einem Knochendefekt geboren werden. Doch mehr wie darüber informieren kann man nicht – jeder weiß selber was er tut, oder sollte es wissen. Zucht ist auch Verantwortung!
Maike Cernohorsky-Herms
(Modesto's Maine Coons)
© Copyright Maike Cernohorsky-Herms!
Der Artikel wurde in der Vereinszeitschrift "Katzen-Postillie 1/2009" (Vereinszeitschrift von Cats First! e.V. und AKRM e.V.) veröffentlicht.